Gibt es Braunbären in Österreich? Spurensuche nach einem heimlichen Rückkehrer

24. April 2025

Braunbären in Österreich

© Piotr Krzeslak/Shutterstock.com

Der Braunbär ist das größte heimische Raubtier Europas. Kraftvoll, scheu, faszinierend. In vielen Teilen Europas sind Bären ausgestorben oder extrem selten geworden. Auch in Österreich galten sie lange als verschwunden. Doch immer wieder gibt es Hinweise, Sichtungen und Fährte. Gibt es also Braunbären in Österreich? Und wenn ja, was bedeutet das für Natur, Mensch und Umwelt? Dieser rund 2000 Wörter umfassende Beitrag geht dieser Frage auf den Grund und erklärt, warum Braunbären eine besondere Rolle in unserer heimischen Natur spielen.

Der Braunbär: Steckbrief eines Giganten

Der Europäische Braunbär (Ursus arctos arctos) gehört zur Familie der Bären (Ursidae) und ist eine Unterart des Braunbären. Er kann bis zu 2,5 Meter lang und im Stand bis zu 1,5 Meter groß werden. Männchen bringen bis zu 300 kg auf die Waage, Weibchen sind meist leichter.

Braunbären sind Allesfresser (omnivor), mit einem starken Hang zur Pflanzenkost. Auf ihrem Speiseplan stehen:

  • Beeren, Wurzeln, Pilze
  • Insekten, Aas, kleinere Säugetiere
  • Honig, Gräser, gelegentlich Wildtiere oder Nutztiere

Sie haben einen ausgeprägten Geruchssinn, können sehr gut schwimmen und auch schneller laufen, als man denkt (bis 50 km/h auf kurzen Strecken).

Im Winter ziehen sie sich in eine Winterruhe zurück, meist in selbstgegrabene Höhlen oder Felsnischen.

Die Geschichte des Braunbären in Österreich

Noch bis ins 19. Jahrhundert waren Braunbären in vielen Teilen Österreichs heimisch. Doch durch intensive Bejagung, Lebensraumverlust und mangelnden Schutz verschwanden sie nach und nach. Um 1840 galt der Braunbär in weiten Teilen des Landes als ausgerottet.

Erst in den 1970er- und 1980er-Jahren begannen erste Schutzprogramme in Europa zu greifen. In Slowenien, Italien und Kroatien konnten sich stabile Populationen halten. Einzelne Tiere begannen wieder, österreichisches Gebiet zu durchstreifen.

Ein Meilenstein war das „Bärenprojekt Nordkalkalpen“ in den 1980er-Jahren, das versuchte, mit gezielten Auswilderungen (u. a. in der Steiermark) eine dauerhafte Population aufzubauen. Einige Tiere blieben über Jahre, pflanzten sich fort, doch langfristig konnte sich keine stabile Population etablieren. Konflikte mit Menschen, Verkehrsunfälle und Abschüsse verhinderten eine dauerhafte Ansiedlung.

Gibt es aktuell Braunbären in Österreich?

Die Antwort lautet: Ja, aber sehr vereinzelt. Aktuell gibt es keine stabile Population, wohl aber durchziehende Einzeltiere, meist aus Slowenien, Italien oder dem Trentino.

Immer wieder werden Spuren entdeckt – Kratzspuren an Bäumen, Losung, Fellhaare oder Aufnahmen von Wildkameras. Besonders in folgenden Regionen wurden in den letzten Jahren Bären nachgewiesen:

  • Karnische Alpen (Kärnten)
  • Karawanken und Gailtaler Alpen
  • Grenzregion Tirol/Südtirol
  • Steiermark (Gesäuse, Hochschwab)

Diese Tiere sind meist junge, männliche Einzelgänger, die auf Reviersuche sind. Häufig ziehen sie nach wenigen Tagen oder Wochen weiter.

Wie erkennt man Bärenspuren?

Wer im alpinen Raum unterwegs ist, kann mit etwas Glück Spuren entdecken:

  • Fußabdrücke: Bären hinterlassen Fünfzehenabdrücke mit Krallen – ein wenig ähnlich wie ein großer Menschenfuß
  • Kratzspuren: An Baumstämmen, besonders an Fichten
  • Losung: Groß, dick und je nach Nahrung schwarz, beerig oder pflanzlich
  • Schlafmulden: Flachgedrückte Flächen in hohem Gras

Wenn du Spuren findest, melde sie unbedingt an das jeweilige Naturschutzreferat oder an die Bärenschutzorganisationen.

Warum sind Bären wichtig für Österreichs Natur?

Braunbären sind Schlüsselarten im Ökosystem. Sie tragen zur natürlichen Regulation bei und erfüllen wichtige Funktionen:

  • Aasverwerter: Sie beseitigen tote Tiere und verhindern Seuchenausbreitung
  • Samenverbreiter: Durch den Verzehr von Früchten verteilen sie Samen im Wald
  • Beutegreifer: Sie halten Wildtierpopulationen gesund
  • Indikatoren für intakte Lebensräume: Wo Bären leben, ist auch die Natur vielfältig

Darüber hinaus sind sie ein Symbol für Wildnis, Unabhängigkeit und Artenvielfalt.

Mensch und Bär: Konflikt oder Koexistenz?

Viele Menschen haben Angst vor Bären. Doch Konflikte sind selten, wenn bestimmte Verhaltensregeln eingehalten werden. Bären gehen Menschen meist aus dem Weg. Nur wenn sie sich bedroht fühlen, Futter wittern oder überrascht werden, kann es zu Zwischenfällen kommen.

Verhaltensregeln im Bärengebiet:

  • Kein Essen offen herumliegen lassen
  • Müll sicher verschließen
  • Keine Bären anlocken oder füttern
  • Hund anleinen
  • Bei Begegnung: ruhig bleiben, rückwärts gehen, nicht wegrennen

In Ländern wie Slowenien oder Schweden leben Menschen seit Jahrzehnten mit Bären – mit Aufklärung, Wildtiermanagement und Akzeptanz.

Schutz und Monitoring

In Österreich sind Braunbären streng geschützt. Das bedeutet:

  • Sie dürfen nicht bejagt werden
  • Ihr Lebensraum muss erhalten bleiben
  • Es gibt Meldesysteme für Sichtungen
  • Expertenorganisationen wie der WWF, das Bärenzentrum Arbesbach oder das Forschungsinstitut für Wildtierkunde begleiten ihre Rückkehr

Langfristig braucht es jedoch eine grenzüberschreitende Strategie für Monitoring, Aufklärung, Prävention von Konflikten und Schutzmaßnahmen.

Die Rolle der Landwirtschaft und Jagd

Bären können Schafe reißen, Bienenstöcke plündern oder Wildtiere beeinflussen. Daher ist es wichtig, mit Landwirt:innen und Jäger:innen zusammenzuarbeiten:

  • Hirtenhunde und Elektrozäune schützen Weidetiere
  • Wildkameras und GPS-Halsbänder helfen bei der Beobachtung
  • Entschädigungszahlungen nach Schäden stärken die Akzeptanz

Konfliktarmes Miteinander ist möglich – mit guter Kommunikation und praktischen Lösungen.

Bildungsarbeit und Symbolkraft

Der Braunbär ist nicht nur biologisch, sondern auch kulturell bedeutsam. In vielen Regionen war er einst Teil der Mythen, Geschichten und Ortsnamen (z. B. Bärnbach, Bärenthal). Heute ist er ein starkes Symbol für:

  • Wildnis und Ursprünglichkeit
  • Artenvielfalt und Naturschutz
  • Menschliche Verantwortung im Umgang mit der Natur

Besonders Kinder und Jugendliche profitieren von Bildungsangeboten rund um den Bären. Naturparks, Nationalparks und Umweltorganisationen bieten Wanderungen, Schulprojekte und Erlebnispfade an.

Fazit: Ein Bär für Österreich

Es gibt (noch) keine dauerhafte Bärenpopulation in Österreich. Doch Einzeltiere kehren zurück. Und das ist gut so. Die Rückkehr des Braunbären ist ein Gradmesser für den Zustand unserer Natur.

Er erinnert uns daran, dass es noch stille, wilde Räume gibt. Dass Vielfalt möglich ist. Und dass wir lernen müssen, mit dieser Vielfalt zu leben.

Ob der Braunbär in Österreich eine Zukunft hat, hängt von uns ab: von unserem Mut, Lebensräume zu erhalten, unsere Einstellung zu ändern und gemeinsam Lösungen zu finden. Denn eine Natur mit Bären ist eine lebendige, reiche und starke Natur – und ein Geschenk für kommende Generationen.

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